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Wenn der Aufzug zum Lebensretter wird

„Aufzug im Brandfall nicht benutzen“ – dieser Hinweis ist in fast jedem Gebäude zu finden. Doch stimmt er heute noch uneingeschränkt? Mit der Veröffentlichung der europäischen Norm EN 81-76 beginnt ein Umdenken: Aufzüge können im Brandfall aktiv zur Rettung beitragen, insbesondere wenn Menschen mit Beeinträchtigungen das Treppenhaus nicht nutzen können.

Veröffentlicht 09.09.2025

Vom Verbot zur Möglichkeit

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So genannte Betriebszeitenverlängerungen im Brandfall sehen auch den Aufzug als Notausgang vor.

Bislang galt der Aufzugsschacht im Brandfall als Gefahrenquelle, die man um jeden Preis meiden sollte. Rauch und Feuer könnten ihn wie einen Kamin wirken lassen, so die gängige Vorstellung. Die Realität ist jedoch eine andere: „Der sicherste Ort im Brand wäre tatsächlich der Aufzugsschacht“, erklärt Thomas Lipphardt, Normenexperte bei KONE. „Wir haben viele reale Brandereignisse gesehen, bei denen Vorräume komplett verraucht waren, der Aufzug selbst aber nahezu unversehrt blieb.“

Diese Erkenntnisse führten bereits vor einigen Jahren zu ersten Regelwerken wie der VDI 6017 und der EN 81-73, die unter bestimmten Bedingungen eine verlängerte Nutzung von Aufzügen im Brandfall erlaubten. Mit der EN 81-76 liegt nun erstmals eine verbindliche Norm vor, die das Thema umfassend regelt.

Die Stufen der Betriebszeitenverlängerungen

Um die Neuerung einzuordnen, lohnt ein Blick auf das Stufenmodell, das die VDI 6017 beschreibt:

  • In der Stufe A, der einfachsten Variante, fährt der Aufzug nach Eingang des Brandsignals in eine festgelegte Haltestelle und schaltet ab.
  • Stufe B erlaubt eine verlängerte Betriebszeit, bei der der Aufzug so lange weiterläuft, bis die Brandmeldeanlage ein kritisches Signal gibt.
  • Die neue Stufe C, die nun durch die EN 81-76 geregelt ist, ermöglicht die gezielte Nutzung für Menschen mit Beeinträchtigungen.
  • Die höchste Stufe D schließlich ist der Feuerwehraufzug nach EN 81-72, der primär den Einsatzkräften vorbehalten ist.

Mit jeder Stufe steigt das Sicherheitsniveau, aber auch die Anforderungen an Gebäude und Technik,

Die EN 81-76 im Überblick

„Wir haben endlich ein Regelwerk, das Schwarz auf Weiß vorgibt, wie Evakuierungsaufzüge funktionieren müssen“

Seit Mitte 2025 ist die neue Norm offiziell verfügbar. Sie definiert, wie Aufzüge beschaffen sein müssen, wenn sie gezielt für die Evakuierung von Menschen mit Beeinträchtigungen eingesetzt werden sollen. „Wir haben endlich ein Regelwerk, das Schwarz auf Weiß vorgibt, wie Evakuierungsaufzüge funktionieren müssen“, betont Stefan Hindemith, Normenexperte bei KONE. Damit werde nicht nur Planungssicherheit geschaffen, sondern auch ein wesentlicher Beitrag zur Inklusion im Brandschutz geleistet.

Das zentrale Ziel der Norm ist es, allen Menschen die Möglichkeit zur sicheren Evakuierung zu geben. Denn nicht nur Rollstuhlfahrer, sondern auch ältere Personen, Menschen mit Demenz, Schwangere oder Personen mit eingeschränkter Mobilität sind darauf angewiesen, dass der Aufzug im Notfall zur Verfügung steht. Gleichzeitig schafft die Norm einen klaren Rahmen, wie die kritischen zehn bis fünfzehn Minuten bis zum Eintreffen der Feuerwehr sinnvoll genutzt werden können.

Anforderungen an Aufzüge und Gebäude

Die Norm unterscheidet zwischen zwei Gebäudeklassen. In Klasse A, also meist in Wohngebäuden ohne Feuerwehraufzug, reichen kleinere Aufzüge mit 630 Kilogramm Tragfähigkeit aus. In Klasse B, die größere und komplexere Gebäude umfasst, werden Aufzüge mit 1000 Kilogramm Tragfähigkeit gefordert.

Zu den wichtigsten Anforderungen gehören:

  • eine Deckenluke, die eine Fremdrettung von außen ermöglicht,
  • eine Batterienotfahrt (Klasse A) oder eine Ersatzstromversorgung (Klasse B),
  • sichere Vorräume, die den Rauch abhalten,
  • und gegebenenfalls spezielle Lüftungsanlagen.

Diese Vorgaben verdeutlichen, dass es nicht genügt, nur die Aufzugstechnik zu betrachten. Auch die Gebäudeinfrastruktur muss auf die Nutzung als Evakuierungsaufzug abgestimmt sein.

Drei Betriebsarten für die Evakuierung

Besonders praxisrelevant sind die drei Betriebsarten, die die Norm vorsieht.

  • Der automatische Evakuierungsbetrieb ist die einfachste Lösung: Der Aufzug fährt nach Eingang des Alarms gezielt in die Evakuierungsebene und kann nur noch in dieser Richtung genutzt werden. Hindemith meint: „Ich bin ein großer Freund des automatischen Evakuierungsbetriebs. Er ist zeiteffizient, leicht verständlich und kommt der Praxis am nächsten.“
  • Der fernunterstützte Betrieb ermöglicht die Steuerung durch eine Leitstelle, die mit den Personen im Gebäude über Audio- und Videoverbindungen kommuniziert. Diese Variante eignet sich vor allem für sicherheitskritische Gebäude wie Banken oder Kliniken.
  • Beim fahrerunterstützten Betrieb übernimmt ein geschulter Helfer die Steuerung vor Ort. Besonders für Pflegeeinrichtungen ist dies sinnvoll, da eine persönliche Begleitung der Bewohner häufig unverzichtbar ist.

Die drei Modi können auch kombiniert werden und bieten so ein flexibles Instrument, um je nach Gebäudetyp und Nutzergruppe die bestmögliche Evakuierung sicherzustellen.

Ein Gewinn für alle Beteiligten

Die Vorteile der neuen Norm liegen auf der Hand. Menschen mit Beeinträchtigungen können ein Gebäude im Brandfall eigenständig verlassen. Die Feuerwehr findet im Idealfall ein bereits geräumtes Gebäude vor und kann sich auf die Brandbekämpfung konzentrieren. Versicherer wiederum profitieren, weil durch schnelleres Handeln Schäden reduziert werden.

Vor allem aber schafft die Norm Klarheit. Ausschreibungen und Brandschutzkonzepte können sich künftig eindeutig auf die EN 81-76 beziehen. „Planung heißt: sehr frühzeitig mit Fachleuten, Brandschutzplanern und Feuerwehr sprechen“, meint Lipphardt. Nur so lassen sich praktikable und wirtschaftliche Lösungen finden, die dem Schutzziel gerecht werden.

Fazit

„Mit der EN 81-76 haben wir jetzt eine Anleitung, die uns erlaubt, Menschen mit Beeinträchtigungen eine sichere Evakuierung zu ermöglichen“

Die EN 81-76 ist ein Meilenstein im baulichen Brandschutz. Sie stellt sicher, dass Menschen mit Einschränkungen nicht länger auf Hilfe von außen angewiesen sind, sondern das Gebäude im Notfall selbstbestimmt verlassen können. Für Bauherren, Betreiber und Planer bedeutet das: frühzeitig die richtigen Konzepte entwickeln, bestehende Prozesse überprüfen und die Technik gezielt einsetzen.

„Mit der EN 81-76 haben wir jetzt eine Anleitung, die uns erlaubt, Menschen mit Beeinträchtigungen eine sichere Evakuierung zu ermöglichen“, fasst Lipphardt zusammen.

Damit wird der Aufzug nicht nur zu einem alltäglichen Transportmittel, sondern im Ernstfall auch zu einem Lebensretter.

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