Auf den Menschen ausgerichtete Städte erleben ein Comeback

Nach Aussage von Politikern werden unsere Städte bis 2050 weitere 2 Milliarden Menschen beherbergen. Um diesem Wachstum auf nachhaltige Weise gerecht zu werden, muss die Stadtplanung stärker auf den Menschen ausgerichtet, technologieorientiert und konsensgestützt werden. Das sieht auch Professor Tim Stonor so.

Professor Tim Stonor, Architekt, anerkannter Experte für räumliche Gestaltung und Geschäftsführer des britischen Unternehmens Space Syntax, einem führenden Anbieter von technologiegestützten Stadtplanungsstrategien, hat eine eindringliche Botschaft: Viele der grossen urbanen Zentren der Welt wurden immer unattraktiver, weil sie nicht in der Lage waren, mit den wachsenden Problemen wie Überbevölkerung, unzureichenden sanitären Einrichtungen, Anfälligkeit für Pandemien und, in jüngerer Zeit, der Abhängigkeit vom Auto, zurechtzukommen.

Darüber hinaus geriet die Kunst der menschenzentrierten Stadtplanung und Raumgestaltung in Vergessenheit.(Podcast: Connected Cities: Predicted Trends)

Stonors Lebenswerk dreht sich darum, diese Konzepte grundlegend umzukehren, indem er altbewährte räumliche Prinzipien für die erfolgreiche Gestaltung von Städten mithilfe modernster Modellierungsinstrumente und unter Einbeziehung der städtischen Interessengruppen wieder einführt, damit alles funktioniert.

Fussgängerfreundliche Städte bieten gesundheitliche, ökologische und wirtschaftliche Vorteile.
Fussgängerfreundliche Städte bieten gesundheitliche, ökologische und wirtschaftliche Vorteile.

Die Rückkehr der fussgängerfreundlichen Städte

„Der Mensch ist von Natur aus transaktionsorientiert“, erklärt Stonor. „Ein historisches Grundelement der Stadt ist, dass sie sich aus einem begehbaren Strassennetz entwickelt hat, in dem man sich selbst zurechtfindet und wo alles in angemessener Entfernung zur Arbeit und zu den Dingen des täglichen Bedarfs liegt. Vor rund 150 Jahren begann dieses Modell aufzubrechen.“

„Unsere Mission ist es, diese auf den Menschen ausgerichteten Prinzipien in den städtischen Zentren wiederherzustellen, aber auf eine Art und Weise, die nachhaltig und skalierbar ist, um das enorme bevorstehende Wachstum zu bewältigen.“

Stonors Ansatz der Rückbesinnung auf die menschenzentrierte Stadtplanung beginnt stets mit Beobachtungen und evidenzbasierten Daten.

Er lobt sein weltweites Team von Kollegen, die Pionierarbeit in der Stadtmodellierung geleistet haben und Algorithmen und digitale Tools entwickelt haben, um die Arbeit von Space Syntax zu unterstützen. Aber er legt grossen Wert auf die anthropologische Dimension seines Vorhabens und geht sogar so weit, eine Stadt anhand des von Space Syntax entwickelten Begehbarkeitsindexes, dem „Walkability Index“, zu bewerten.

Technologiegestützte intelligente Städte werden Menschen, Stadtviertel und Erlebnisse miteinander verbinden.
Technologiegestützte intelligente Städte werden Menschen, Stadtviertel und Erlebnisse miteinander verbinden.

Strassen haben eine grosse Bedeutung für das städtische Leben

„In der Stadtplanung befinden wir uns heute in einer anderen Situation als noch vor ein paar Jahrzehnten“, erklärt Stonor. „Unsere Planung ist jetzt viel stärker auf den Menschen ausgerichtet und stützt sich auf eine Vielzahl öffentlicher und privater Datensätze, die uns sagen, wie sich die Menschen bewegen, wo sie Transaktionen durchführen – und sogar, wo sie Verbrechen begehen.“

Die Entwürfe von Stonor sorgen dafür, dass die Menschen wieder auf den Strassen unterwegs sind, wo sie ganz selbstverständlich Transaktionen tätigen. Er lehnt lange Schnellstrassen ab, die die Städte teilen und entzweien, und setzt stattdessen auf Fussgängerzonen und wiederverbundene Stadtteile.

Er wünscht sich weniger Autos, geringere Kohlendioxidemissionen und mehr „Passantenfrequenz“, ganz im Sinne des von ihm bewunderten Kollegen, dem dänischen Architekten Jan Gehl, eines Vorreiters der fussgängerorientierten Stadtgestaltung. Ausserdem liebt er schattenspendende Bäume, vor allem in trockenen Städten, um die Temperaturen auf den Strassen zu senken und die Menschen wieder auf die Plätze, Esplanaden, Piazzas und Basare zu locken, wo sie hingehören.

Tim Stonor (links) und Tessina Czerwinski (rechts)
Tim Stonor (links) und Tessina Czerwinski (rechts)

Die Bedeutung einer frühzeitigen Zusammenarbeit bei der Stadtplanung

Stonor lehnt die isolierte Planung strikt ab, eine Problematik, die seiner Meinung nach zu vielen schlecht funktionierenden Stadtzentren der modernen Zeit beigetragen hat.

„Eine erfolgreiche Stadtplanung setzt eine frühzeitige Zusammenarbeit mit denjenigen voraus, die wissen, wie die einzelnen Ebenen einer Stadt funktionieren – ihr ‚System der Systeme‘, d. h. die Netze für den Personenverkehr, die Energienetze, die Kommunikationsnetze und die Strassennetze“, erklärt er.

Auch die herkömmlichen Vorstellungen darüber, wie neue und bestehende städtische Gebäude entworfen und genutzt werden, erfordern eine engere Zusammenarbeit mit ihren Eigentümern, Verwaltern und Nutzern, stellt Tessina Czerwinski, Programmdirektorin für intelligente und nachhaltige Städte bei KONE fest.

„In der Regel haben wir in den Städten Gebäude für bestimmte Zwecke mit einer voraussichtlichen Nutzungsdauer von 50 bis 100 Jahren geplant. Das hat sich geändert.“ „Der technologische Fortschritt, der demografische Wandel und die Veränderungen im Geschäftsleben machen deutlich, wie wichtig es ist, den Lebenszyklus von Gebäuden neu zu überdenken: Widerstandsfähiger, besser vernetzt, umweltfreundlich und leicht an neue Nutzungsmöglichkeiten anpassbar.“

„Gebäude sind das Grundgerüst einer Stadt“, betont Czerwinski. „Und die Art und Weise, wie wir die Technologie nutzen und mit ihr in Verbindung treten, macht einen Unterschied in Bezug auf die menschliche Erfahrung in den Städten der Zukunft.“

Eine evidenzbasierte Stadtplanung trägt zum Wohlbefinden der Stadtbewohner bei.
Eine evidenzbasierte Stadtplanung trägt zum Wohlbefinden der Stadtbewohner bei.

Daten zu Aufzügen bieten Einblicke in menschliches Verhalten

Inwieweit eine auf den Menschen ausgerichtete Stadtgestaltung erfolgreich sein kann, hängt nach Ansicht von Stonor in hohem Masse von einer soliden Datenlage ab. Diese liefert lang gesuchte Erkenntnisse über menschliches Verhalten, die bisher fehlten.

Sein Argument wird anschaulich durch die faszinierenden Daten von KONE untermauert.

„Wir bewegen täglich über eine Milliarde Menschen“, so Czerwinski. „Unsere Daten liefern Informationen über menschliches Verhalten, veränderte Lebensgewohnheiten und die Entwicklung von Widerstandsfähigkeit durch Zusammenarbeit.“

Ein aktuelles Beispiel, das KONE vorstellte, waren Daten über die Nutzung von Aufzügen in Grossstädten auf der ganzen Welt, die die Covid-19-Pandemie und die Reaktion darauf seit Beginn der Pandemie dokumentierten.

„Diese zeigten uns, welche Infrastrukturen widerstandsfähig und von entscheidender Bedeutung sind, und was dies für das Leben in einem Stadtteil bedeutet“, fügt Czerwinski hinzu.

„Mithilfe von Technologie – und in enger Zusammenarbeit mit unseren Kunden und Partnern – können wir einen reibungsloseren Personenfluss nicht nur in und zwischen Gebäuden, sondern auch in Stadtvierteln und Städten im Ganzen ermöglichen. Durch diesen multidimensionalen Ansatz kann unser städtisches Umfeld widerstandsfähiger werden.“

Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in der Financial Times:
tädte der nächsten Generation – Was Aufzüge uns über die Pandemie und die Zukunft unserer Städte lehren können

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